Hafer in der Pferdefütterung - Schluss mit Mythen, Unwissenheit und Vorurteilen!

Hafer in der Pferdefütterung - Schluss mit Mythen, Unwissenheit und Vorurteilen!

Neulich Abend beim Reiterstammtisch. „Sag mal, quetscht ihr eigentlich euren Hafer oder füttert ihr ihn ungequetscht?“ fragt Dani in die Runde. „Was, du fütterst Hafer?“ antwortet Lissi entsetzt. „Also meiner wird von Hafer total blöd“, pflichtet Tina bei. Sofort entbrennt unter den Freundinnen eine hitzige Diskussion über die optimale Fütterung ihrer Lieblinge. Unser neuer Blogbeitrag „Hafer in der Pferdefütterung“ macht Schluss mit Mythen, Unwissenheit und Vorurteilen!

4 Fakten, die zeigen, dass Hafer zurecht das Gold der Pferdefütterung genannt wird:

#1: hoher Spelzenanteil:

Ein hoher Anteil weicher Spelzen im Getreide liefert gleich zwei wichtige Vorteile als Krippenfutter. Ein hoher Spelzenanteil ist gleichbedeutend mit einem hohen Rohfasergehalt. Dein Pferd muss intensiver kauen, was zu einer vermehrten Speichelbildung und zur Bildung von wertvollen Schleimstoffen führt. Dieser Haferschleim schützt die empfindlichen Magenwände und Dünndarmschleimhäute deines Pferdes. Zusätzlich lockern die Spelzen den Magen-Darminhalt auf und machen den Futterbrei dadurch optimal für Verdauungssäfte zugänglich.

#2: klarer Sieger bei der Dünndarmverdaulichkeit

Warum ist die Dünndarmverträglichkeit von Getreidearten so wichtig? Im Dünndarm wird Stärke durch das körpereigene Enzym Amylase verdaut. Eine unzureichende Verdauung von Stärke im Dünndarm führt zu einer mikrobiellen Verdauung im Dickdarm, wodurch es zu einem Ungleichgewicht der Darmflora kommen kann. Dies kann im schlimmsten Fall schwerwiegende Folgen haben: Kolik, Kotwasser, Hufrehe… vergleicht man die Dünndarmverdaulichkeit von Hafer mit anderen Getreidesorten, geht Hafer hier als klarer Sieger hervor. Die Stärke des Hafers wird im Dünndarm zu ca. 85% aufgespalten und verdaut, wohingegen die Verdaulichkeit von Mais nur bei 29%, von Gerste sogar nur bei ca. 22% liegt. Die Verdaulichkeit von Hafer wird übrigens durch Quetschen kaum beeinflusst. Gerste und Mais sollten nach Möglichkeit hydrothermisch aufgeschlossen und als Flocken gefüttert werden, da diese unbehandelt vom Pferd nur schwer gekaut und unzureichend eingespeichelt werden und dadurch im Dünndarm nicht gut verdaut werden können. Trotz der guten Dünndarmverdaulichkeit muss bei der Haferfütterung auch die gefütterte Stärkemenge im Auge behalten werden. Denn bei zu hohen Mengen kann das Verdauungssystem auch bei Hafer Schaden nehmen. 1 kg Hafer enthält ca. 398 g Stärke. Als maximale Obergrenze pro Pferd gelten 5 g Stärke je kg Körpermasse pro Tag, wobei sich die Angabe auf das gesunde „Idealpferd“ bezieht (Vorsicht: in die Berechnung muss auch Raufutter, sowie weitere Futtermittel einbezogen werden).

#3: wertvoller Energielieferant:

Hafer liefert mit einem hohen Fettgehalt von 5-7% pro Haferkorn und einem hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren wertvolle Energie. Weiterhin enthält Hafer eine Vielzahl essenzieller Aminosäuren, Mengen- und Spurenelemente, sowie Vitamine. Trotzdem ist Hafer pro kg mit 11,1 MJ im Vergleich zu den deutlich energiereicheren Getreiden wie Gerste oder Mais nur ein moderater Energielieferant. Hast du das Gefühl, Hafer macht dein Pferd lustig und überdreht, solltest du zunächst den tatsächlichen Bedarf deines Pferdes überprüfen und in Abstimmung darauf die Hafermenge anpassen. Bei einer Reduktion der Futtermenge normalisiert sich das unerwünschte Verhalten meist von selbst.

#4: hoher Lysingehalt:

Hafer enthält einen im Vergleich zu anderen Getreidearten hohen Lysingehalt. Lysin zählt zu den limitierenden Aminosäuren und ist besonders wichtig für den Leber- und Muskelstoffwechsel.

Eine zusätzliche Mineralstoffgabe optimiert die Haferfütterung

Hafer enthält zwar eine Vielzahl wertvoller Mineralien und Vitalstoffe, trotzdem optimiert ein gutes Mineralfutter die Pferdefütterung. Hafer ist sehr phosphorreich, aber gleichzeitig calciumarm. Deshalb solltest du bei der Gabe größerer Hafermengen darauf achten, den Calciumbedarf deines Pferdes durch die Gabe eines Mineralfutterzusatzes zu decken, bzw. das Phosphor-Calciumverhältnis im Auge zu behalten.

Gequetscht oder im Ganzen verfüttern?

Bei gesunden Pferden mit einem intakten Gebiss ist es nicht notwendig, den Hafer zu quetschen. Die Dünndarmverdaulichkeit von ganzem Hafer liegt nur ca. 3% unter der von gequetschtem Hafer. Ganzer Hafer wird ausgiebig gekaut, wodurch die Speichelproduktion angeregt wird. Das im Speichel enthaltene Bicarbonat puffert die Magensäure ab, weswegen bei magenempfindlichen Pferden die Fütterung von ganzem Hafer empfohlen wird. Kann dein Pferd den Hafer aufgrund von Zahnproblemen jedoch nicht ausreichend zerkauen, ist ein Aufschließen der Haferkörner vor der Fütterung in jedem Fall sinnvoll.

In diesen Fällen solltest du deinem Pferd gequetschten Hafer füttern:

  • Fohlen und junge Pferde, die den Zahnwechsel noch nicht abgeschlossen haben
  • Zahnerkrankungen wie EORTH, wackelnde und verlorene Zähne, bei denen dein Pferd in seiner Kautätigkeit eingeschränkt ist
  • dein Pferd schlingt und nimmt sich wenig Zeit zum Kauen
  • Alte Pferde, bei denen die Kauflächen ungleichmäßig abgerieben sind

Vorsicht: gequetschter Hafer muss rasch verfüttert werden, da das beim Quetschen entstandene Haferöl schnell ranzig wird. Quetschhafer ist aufgrund seiner aufgebrochenen Schale ein idealer Nährboden für Parasiten und neigt zur Schimmelbildung. Auch in Punkto Staubentwicklung punktet der ganze Hafer im Vergleich zum gequetschten.

Weißer, schwarzer, gelber oder grüner Hafer – welcher ist der Beste?

Welche Hafersorte am Ende des Tages im Futtertrog landet, ist nicht entscheidend. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Hafersorten sind minimal und rechtfertigen meist nicht die z.T. großen Preisunterschiede. Bei der Qualität des Hafers kann es jedoch zu großen Unterschieden kommen. Das Litergewicht für guten Hafer sollte mindestens 500 g betragen. Für das einzelne Korn gilt: je höher das Litergewicht, desto stärkereicher und umso eiweißärmer. Die Haferkörner sollten eine klare Farbe haben – graue Verfärbungen weisen auf Pilzbefall und hygienische Mängel hin. Guter Hafer ist geruchsneutral und sollte keinesfalls muffig oder modrig riechen.

Eine einfache Methode, die Qualität deines Hafers selbst zu testen, ist der Wasserglas-Test. Dazu füllst du ein Glas mit Leitungswasser und gibst eine Handvoll Hafer hinein. Je mehr Haferkörner nach unten sinken, desto höher ist das Litergewicht und damit auch die Qualität. Eine starke Trübung des Wassers ist ein deutlicher Hinweis auf eine unzureichende Reinigung des Hafers und damit die hygienische Beschaffenheit. Färben sich die Körner nach 30 Minuten schwarz oder gar rot, ist Vorsicht geboten: hier besteht der Verdacht eines Schimmelpilz- bzw. Fusarienbefalls. Um sicher zu gehen, kannst du im Zweifelsfall eine Futterprobe in einem Futtermittellabor auf evtl. Mykotoxin Belastung untersuchen lassen.

Fazit: Hafer ist ein altbewährtes Futtermittel für Pferde, das mit einer sehr guten Dünndarmverdaulichkeit, wertvollen Inhaltsstoffen und als moderater Energielieferant punktet. In der richtigen Menge gefüttert, macht Hafer dein Pferd nicht lustig oder gar überdreht.

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